Sprachentgleisungen – Die letzte Chance, noch aufzufallen?

Ulrike Pfarre
Juli 18, 2019

Sprache ist für mich als Werbetexterin natürlich ein besonders sensibles Thema. Sprachentgleisungen regen mich manchmal richtig auf. Vielleicht bin ich da auch überempfindlich. Mir ist es einfach wichtig, dass trotz der legitimen Ausnahmen von korrekter Schreibweise oder Interpunktion in Verkaufstexten ein gutes Deutsch gepflegt wird. Es ist schließlich unsere Muttersprache. Eine Sprache, in der einige der berühmtesten Dichter der Geschichte ihre Poesie verfassten. Der Respekt vor unserer schönen Sprache scheint mir völlig verloren zu gehen.

Sprachentgleisungen 1: Fehlerhafte Rechtschreibung und Grammatik

Kaum ein Schriftstück oder Onlinetext erscheint heute noch fehlerfrei. Obwohl es ja Lektoren gibt. Und damit meine ich nicht normale Flüchtigkeitsfehler. Die passieren uns allen. „Verschnelltipper“ nennt sie meine liebe Kollegin Simone Domahs. Die produzieren wir Werbetexter täglich massenhaft. Manchmal sorgen sie für viel Erheiterung. Korrekturlesen und Vier-Augen-Prinzip helfen dagegen.

Ich habe auch Verständnis dafür, dass die übergestülpte Rechtschreibreform immer noch zu Verwirrung führt. Ich muss seither auch krampfhaft überlegen, ob groß, klein, zusammen, getrennt. Das musste ich früher nie. Da sorgt der Duden für Klarheit. Einigermaßen zumindest.

Die Drucksachen von heute wären ein Eldorado für meinen Großvater!

Der war Lehrer für Deutsch und Französisch. Er konnte „Dreckfühler“ so gar nicht leiden. Regelmäßig strich er in seiner Tageszeitung die Druckfehler rot an und schickte sie an den Verlag zurück. Und früher gab es kaum Fehler in Druckerzeugnissen im Vergleich zu heute! Er konnte das nicht ertragen. Hab ich vielleicht etwas davon geerbt? 😉

Es ist mir irgendwie ein Bedürfnis, eine Lanze für unsere Muttersprache und mehr Achtung der Rechtschreibung und Grammatik zu brechen. Ich fürchte, wenn wir das zu sehr schleifen lassen, verkommt unsere Sprache zur Unkenntlichkeit und wir verstehen uns irgendwann nicht einmal mehr verbal.

[bctt tweet=“Rechtschreibung und Grammatik zu beherrschen, suggeriert Kompetenz und Zuverlässigkeit.“ username=“Directmailspezi“]

Sie sind gefragt: Entdecken Sie meine ungewollten Tippfehler hier im Blog! Ich bedanke mich für Ihre Lektoratsleistung mit einem Geschenk: Sie bekommen mein brandneu aufgelegtes E-Book „Die Geheimnisse erfolgreicher Verkaufstexte“ im Wert von 29 Euro.  Fehlermeldungen bitte an: blog@direkt-mehr-umsatz.de. Danke.

Sprachentgleisungen 2: Anglizismen

Und obwohl ich die englische Sprache schon seit meiner Kindheit abgöttisch liebe und mich auch sonst schon immer für Fremdsprachen begeisterte:  Ich bin so gar keine Freundin dieser Anglizismenwelle, die nicht mehr nur tröpfchenweise, sondern mittlerweile wie ein Tsunami über uns schwappt. Die Werbung ist dabei leider ein treibender Keil.

Werbung verstümmelt und verschandelt unsere Sprache

Manche Kunden verstehen bekanntermaßen die „Slogähns“ der werbenden Firmen gar nicht oder interpretieren sie völlig falsch. Denken Sie nur an Douglas´“Come in and find out“. Das war in dieser Richtung nicht der einzige Werbefauxpas. Auch kreative Entgleisungen wie „vanillig“ oder „schokoladig“ schmecken mir nicht so recht. Werbung wirkt durch solche Wortschöpfungen manchmal zu künstlich, aufgesetzt und übertrieben. Wirkt sie dadurch stärker? Ich glaube nicht. Eher noch „aufdengeistgeherischer“. Aber das ist vermutlich Geschmackssache.

Viele Begriffe aus dem amerikanischen und britischen Sprachraum haben sich in unseren alltäglichen Sprachgebrauch eingeschlichen. Besonders lächerlich wird es, wenn englisch klingende Begriffe wie „Handy“ im Englischen gar nicht existieren bzw. eine völlig andere Bedeutung haben. Ok, kleines, mobiles Telefon und „handlich“ bzw. „praktisch“, was handy eigentlich bedeutet, passt wenigstens halbwegs. Aber „Public viewing“ für gemeinsames Fernsehen in der Öffentlichkeit finde ich schon makaber. Schließlich bedeutet dieser Begriff öffentliche Leichenschau oder Aufbahrung. Nun ja, wenn man an die Spiele unserer Männer-Fußballnationalmannschaft bei der letzten WM denkt … 🙁

[bctt tweet=“Anglizismen: Wenn Du nichts zu sagen hast, sprich Englisch! (Zitat)“ username=“Directmailspezi“]

Jugendsprache bleibt der Jugend vorbehalten

Dass die Jugend ihre eigene Sprache entwickelt, was durch SMS und Messenger auch zu regelrechten Sprachverstümmelungen führt – ok. Das sind wohl die typischsten und heftigsten Sprachentgleisungen, die wir erleben. Das war schon immer so und gibt sich mit dem Erwachsen werden wieder. Zumindest teilweise. Peinlich wird es nur, wenn Eltern versuchen, in Teeniesprache (auch so ein Anglizismus ;-)) zu kommunizieren. Böser Fehler!

In der Werbung ist das eine Sache auf Messers Schneide. Einerseits kann das cool (!) wirken und genau ins Herz der Jugendlichen treffen. Andererseits mögen es die jungen Leute gerade nicht, wenn Erwachsene (vor allem Eltern, Lehrer, Institutionen, Politiker) ihre Sprache verwenden. Sie finden das lächerlich und fühlen sich manchmal dadurch sogar verhöhnt und verraten. Die Verwendung der Jugendsprache in der Werbung erfordert viel Fingerspitzengefühl und sorgfältige Marktforschung: zum Beispiel Zielgruppen Befragungen und Tests.

Sprachentgleisungen 3: Fäkalsprache

Fluchen für mehr AufmerksamkeitHey, scheiße ey, hab ich jetzt endlich Ihre verfickte Aufmerksamkeit?!

Jo. So ähnlich wird man heute von eigentlich seriösen – glaubte ich bis dahin – Geschäftsleuten angesprochen. Was ist passiert?

Ich war einigermaßen perplex, als ich in die Facebookgruppe einer Coach aufgenommen wurde und die Beiträge zu lesen bekam. WOW! Wie eine kalte Dusche erwischte mich die Sprache darin. Ich klickte sofort auf „austreten aus der Gruppe“. Das war nicht meine Welt. Ist den Menschen bewusst, welchen Schwall negativer Energie solche Sprachmuster aussenden?

Aufmerksamkeit um jeden Preis

Ich kannte die Dame, die diese Gruppe betreute, schon länger aus der Ferne als Coach. Vor allem zum Thema Positionierung mit spirituellem Hintergrund. Wir hatten auch schon telefoniert und ich war von ihrer Arbeit angetan. Ihre Art war eigen, aber sehr einfühlsam und wertschätzend. Ob das immer so echt oder angelernt war – darüber denke ich seit meinem Blick in diese Facebookgruppe noch zweifelnder nach. Ist Fäkalsprache eine neue Positionierungsstrategie? Hab ich da etwas verpasst?

Authentisch und intelligent oder dumme, plumpe Effekthascherei?

Nachdem ich in den Beiträgen nur Flüche und in jedem zweiten Satz „f@#*ing“, „verf#@*t“ und „sch#*@“ gelesen hatte, zweifelte ich daran, dass diese Person sich selbst erfolgreich positioniert hatte. Vorher hatte ich sehr wohl den Eindruck. Aber das wirkte extrem verzweifelt. Ein Opfer des neuen Facebook-Algorithmus, der viele plötzlich unsichtbar gemacht hatte? Das schrie nach Aufmerksamkeitsdefizit.

[bctt tweet=“Fäkalsprache im Marketing: Clevere Positionierung oder verzweifeltes Ringen um mehr Aufmerksamkeit?“ username=“Directmailspezi“]

Ich fluche auch. Keine Frage. Meine kleine Tochter ermahnt mich mittlerweile, wenn ich mal verbal austicke: „Mama, das sagt man nicht!“ Aber gehört das in Marketing-Publikationen, in die öffentliche Kommunikation mit Interessenten? JEIN.

Über Für und Wider gleich mehr…

Positionierung mit Fäkalsprache?

Ok, scheinbar ist diese Frau gerade nicht mehr ganz so erfolgreich und lässt so Frust ab. So war mein Eindruck davon. Wohl gemerkt: Mein Eindruck. Ich weiß nichts von den realen Gegebenheiten. Immerhin gibt es ja Anhänger, die das gut finden. Und klar, sich ins Kopfkino der Kunden einzuklinken, kann auch innere Dialoge voller Flüche und Schimpfworte offenbaren. Die aufzunehmen, ist schon clever.

So lange es wirklich nachvollziehbare Gedanken sind. So lange es echt und authentisch wirkt. – Und das ist der kleine, aber entscheidende Unterschied. Zumindest sehen den wohl sensible Menschen. Wie Schimpfworte durchaus magnetisch wirken, habe ich auch entdeckt. Dazu komme ich noch …

Ein neuer Trend?

Ich habe danach gleich ein Déjà-vu erlebt. Ebenso eine ansonsten sehr erfrischende, positive und wertschätzende Dame aus dem Coaching-Business wirft plötzlich mit Fäkalsprache um sich. Abgekupfert oder ist das der neueste Schrei? Und seither fällt mir auf, dass Schimpfworte ganz alltäglich auch im Radio in der Moderation vorkommen und in vielen Onlinepublikationen. Hab ich da doch etwas verpasst? Soll ich jetzt auch laut und öffentlich fluchen, statt im stillen Kämmerlein, um Kunden zu gewinnen? Welche Kunden mag das anziehen? Ich glaube, das will ich gar nicht so genau wissen ;-).

Seinen Gefühlen freien Lauf lassen und Stress abbauen durch Fluchen, ist nicht schön, aber völlig legitim. Von mir aus auch öffentlich. Die Frage ist, in welchem Kontext und mit welchem Ziel? Es gibt auch sympathische Beispiele, wo das Fluchen die gewünschte Wirkung erzielt und nicht wie billige Effekthascherei wirkt.

Wenn Sprachentgleisungen Sympathie und Nähe erzeugen, haben Sie Ihre Kunden am Haken. Aber nur dann.

Kürzlich hörte ich den Madame Moneypenny Podcast. Übrigens inhaltlich sehr empfehlenswert, wer nach mehr Effizienz und Effektivität strebt …

Eine sympathische Stimme sprach aus dem „Nähkästchen“ über ihren Arbeitsalltag. Und da kam es: Sie gebrauchte einige Schimpfworte! Ja, genau dieselben! f#@k und sch … Aber in einer völlig natürlichen, authentischen Art und Weise. So, wie einem selbst eben auch die Gedanken durch den Kopf gehen.  Echt, etwas hinter vorgehaltener Hand und nicht aufgesetzt.

Es war zu hören, dass diese Frau sich ihrer Worte bewusst war und dessen, dass „man“ – und erst recht frau – so etwas eigentlich nicht sagt. Die Worte kamen so natürlich aus ihr heraus. Es wirkte direkt niedlich, sympathisch und menschlich. Da konnte ich gut zuhören, fühlte mich angesprochen, auf Augenhöhe, verstanden und einbezogen. Hier und da kam mir das Schmunzeln. Denn genauso hörten sich meine inneren Gedanken manchmal auch an. Da erzeugte die Fäkalsprache Nähe statt eines abstoßenden Gefühls.

Fazit: Die Frage ist also nicht, ob oder ob nicht Sprachentgleisungen für mehr Aufmerksamkeit und Wirkung im Marketing nutzen. Das Thema ist immer das Wie und wie viel. Auch hier macht die Dosis das Gift.

Wie denken Sie darüber? Diskutieren Sie mit mir!

Ich freue mich auf Ihre Kommentare dazu. Teilen Sie gern diesen Beitrag, um mehr Diskutierfreudige ins Boot zu holen. Danke.

 

über die Autorin

Ulrike Pfarre

Seit 2007 sorge ich als freiberufliche, zertifizierte Werbetexterin für Direktmarketing mit meinen Texten für direkt mehr Umsatz bei meinen Kunden.
Coachs, Trainer, Speaker, Berater und Verlage bekommen von mir authentische, emotionale und konversionstarke Verkaufstexte im Plauderton für ihre Salesfunnels (Landingpages, Salespages, E-Mail-Serien, Shoptexte oder Werbebriefe). Wann sprechen wir über Ihr Projekt?

  • HA! Da wurde ich doch glatt erwischt. 😉 Dorothea hat aufmerksam gelesen und einen Tippfehler gefunden. Herzlichen Glückwunsch, das Buch ist unterwegs.
    Eine Bitte: Wer noch etwas findet, bitte den Artikel und den Absatz zum Fehler mit angeben, damit ich ihn auch finde ;-). DANKE!

  • Liebe Ulrike,

    vielen Dank für den Artikel! Ich musste so grinsen, denn ich habe auch diese Podcast-Episode von Madame Moneypenny gehört und empfinde es genauso. Voll authentisch und daher kann ich damit. Es rutscht ihr ja immer wieder ein Kraftausdruck raus …

    Aber – ob‘s am Alter liegt? – als ich z.B. meinen Artikel zur Blogparade „einen Scheiß muss ich“ für den Podcast eingesprochen habe, hab‘ ich mir alleine schon mit dem Titel schwer getan! Einfach nicht „ich“.

    Sonnige Grüße
    Claudia

  • Wunderbar geschrieben.
    Mir ist es noch gar nicht so aufgefallen. Vielleicht bin ich abgestumpft, vielleicht wird es mir aber auch erst auffallen, NACHDEM ich deinen Artikel gelesen habe…, so, wie man plötzlich überall Kinderwagen sieht, wenn man schwanger ist.
    Da du es so gewollt hast und ich die sportliche Herausforderung beim Lesen gleich angenommen hatte bekommst du jetzt auch Post auf blog@direkt-mehr-Umsatz.de.

  • Ha, DANKE für diesen Artikel!
    All die beschriebenen Phänomene sehe ich auch oft mit Grausen … so geht man doch nicht mit Sprache um! Gut zu wissen, dass ich nicht alleine bin. 🙂
    Liebe Grüße, Anja

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