Kann eine professionelle Werbetexterin von Werbung genervt sein?
Jaaaa! Und zwar sowas von!
Da ich vermutlich von Berufs wegen mehr Werbung konsumiere als der Durchschnittsverbraucher, stolpere ich auch über mehr Werbesünden und schlage härter auf ;-). Denn ich hinterfrage die Werbung automatisch:
- Worum geht es und wie wirkt es auf mich?
- Was will mir diese Werbung sagen?
- Was will der Anbieter damit erreichen?
- Was habe ich davon?
- Was soll ich als möglicher Kunde jetzt tun?
Mein Mann sagt immer: „Was regst du dich auf, die Werbung hat doch ihr Ziel erreicht: Du beschäftigst dich damit und wir reden darüber.“
Ok, er ist nicht vom Fach ;-).
Vermutlich denken aber auch immer noch einige Werbeagenturen wie früher:
Hauptsache auffallen.
Doch Neugier oder Aufmerksamkeit allein macht noch keine positive Kaufentscheidung. Vor allem, wenn der erste Eindruck ein abstoßender ist.
Ich kann hier nur für mich persönlich sprechen, als Konsumentin sozusagen. Und ganz sicher bin ich oftmals nicht die Zielgruppe oder Idealkundin. Die Werbung wird ja aber über Medien ausgestrahlt, die alle ansehen oder anhören („müssen“). Darf man auch mal hinterfragen, ob das noch zeitgemäß ist. Andererseits …
Segmentierung braucht halt Daten, die ich auch nicht gerne preisgebe ;-). Wie dem auch sei:
Bei diesen Werbesünden gehe ich auf die Barrikaden (Die Reihenfolge ist keine Wertung oder Rangfolge):
Meine persönlichen Top 10: Was mich an Werbung nervt
1. Radiowerbung, die Fernsehspots beschreibend nacherzählt
Aaaargh! Nichts gegen Content-Reengineering, aber ein bisschen Abwechslung und Anpassung kann nicht schaden, damit es wirklich Bilder und Geschichten im Kopf erzeugt, verlockend und nicht nur albern wirkt.
Das Positive: Ja, es erinnert an den Fernsehspot, wenn man ihn kennt. Wiedererkennungseffekt: check. Aber gerade das nervt mich persönlich daran noch mehr. Es wirkt zu gewollt und irgendwie holprig.
Es lässt sich nicht jedes Kreativ von einem Medium 1:1 auf ein anderes übertragen. Zumindest hat es nicht zwangsläufig denselben Effekt. Da spart man vielleicht doch am falschen Fleck. Auch im Radio wollen Storys eerzählt werden, am besten dialogorientiert und nicht beschreibend nacherzählt. Gute Tipps, was Radiowerbung erfolgreich macht, hat „Die Absatzwirtschaft„.
Mein persönlicher Lerneffekt:
Das gilt auch für verschiedene Social-Media-Kanäle. Es ist zeitsparend, einen Post über alle Kanäle zu senden. Ist aber nicht unbedingt das Effektivste. Da fasse ich mir durchaus selbst an die Nase.
2. Radiowerbung mit hysterischen Frauenstimmen im „hohen C“
So manche weibliche Werbestimme klingt total aus dem Häuschen, als säße die Sprecherin permanent auf einem Vibrator mit Rosa-Hoppel-Hasen-Batterien.
Egal, was sie verkaufen wollen: Äpfel, Versicherungen oder Stützstrümpfe: Das hohe C klirrt bis in die Magengrube.
Emotionen wie Begeisterung sind essenziell, wenn man Kunden anziehen will.
Aber auch in der Werbung macht die Dosis das Gift. Glaubwürdigkeit ist schließlich genauso wichtig für die Kaufentscheidung. Natürlich und in Maßen kommt bei mir persönlich besser an, aber vielleicht bin ich da ein verwirrter Einzelfall.
Ich erlebe mich NICHT permanent überglücklich und berstend vor Spaß an der Sache, wenn ich den Hausfrauen-Hut aufhabe. Wenn mir dann eine hysterisch-motivierte Werbe-Hausfrau von irgendwelchen Reinigungsprodukten erzählt, frage ich mich, wozu sie das Produkt benutzt, dass es sie dermaßen in Stimmung bringt. Muss eine ganz spezielle Zielgruppe sein.
Nichts gegen nützliche Haushaltshelfer, aber flippen Sie deshalb beim Putzen so aus? Sie sollen das Zeugs nicht einnehmen! 😉
Das geht übrigens auch in cool, man, und ganz unaufgeregt! Zum Beispiel wie in der Waschmittelwerbung mit dem Fuchs.
Und nein, liebe Werbekreative: Es funktioniert nicht zwangsläufig wie im Film „Harry & Sally“ mit der unglaublichen Meg Ryan: einfach heftig und laut genug stöhnen, dann wollen das alle anderen auch sofort haben. 😉
3. Imponiergehabe, Fake, Erniedrigung
Besonders in der Onlinewerbung sind sie omnipräsent: Die scheinbar smarten, geschniegelten und gebügelten Möchtegern-Erfolg-Reichen (oder vielleicht auch tatsächlich „Geissens“-Klone, wer weiß?).
Jedenfalls sind sie über Nacht reich geworden, ohne zu arbeiten. Ach nee, das war ja früher so. Jetzt haben sie gefühlt mit 10 schon ihr erstes Millionenbusiness aufgebaut und strotzen vor Erfahrung.
Sie hatten natürlich eine schwere Kindheit (waren wohl mal einen Tag lang die Milchschnitten alle) – man braucht ja eine Story zum Tellen. Aber nun ist alles gut, dank ihrer einzigartigen Erfolgsstrategie. Oft genug mit Produkten anderer.
Mein Haus, mein Boot, mein Schaukelpferd …
Sie präsentieren sich mit Model-Blondine in Doppel-D, Sportflitzer oder Learjet und natürlich Villa am Meer unter Palmen. Weil nur DAS Erfolg für alle bedeuten kann! Und davon gibt es so tolle Fotos!
Wer das nicht hat, ist ein Loser und bleibt es, wenn er sich von diesen Mittzwanzigern nicht reich coachen und onlinedurchfunneln lässt.
Und genauso sprechen sie ihre potenziellen Kunden auch an: Mit Fake-Storys und Fake-Fotos, laut schreiend, peinlich zum Fremdschämen und arrogant, dass die Hose platzt.
Bevor ein falscher Eindruck entsteht:
Ich habe einen Heidenrespekt vor jungen und auch älteren Leuten, die tatsächlich ihr eigenes Business aufbauen und damit erfolgreich sind. Darüber freue ich mich tatsächlich und habe einige früher als Existenzgründungsberaterin unterstützt.
Denn die gehen nicht den Weg des geringsten Widerstandes, sondern leisten und trauen sich etwas. Klar, zeigen manche auch gern und stolz ihre Erfolge. Das ist auch völlig in Ordnung, da steckt ja auch was dahinter.
Reich sein hat nicht nur mit viel Geld zu tun
Wirklich reiche Menschen habe ich eher als bescheiden im Auftreten, als überraschend normal und sehr respektvoll anderen gegenüber erlebt. Und die hätten wirklich Grund zum Protzen gehabt! Aber ihnen sieht man das höchstens auf den zweiten Blick an.
Die meine ich ausdrücklich nicht. Sondern die, die ausschließlich nach dem Prinzip „Fake it, ‚til you make it“ leben.
Nichts als heiße Luft.
Oft kommen sie aller Nasen lang mit einer anderen Millionen-Idee um die Ecke. Hat die erste nicht funktioniert? Mhmmm.
Ich habe den einen und die andere persönlich erlebt, die ein solches Auftreten an den Tag legten, aber kleinlaut wurden, als sie bei Ihrer Anfrage nach einem Sales-Page-Text mein Angebot bekamen.
In seiner Werbung schrieb mal einer, er wäre als Studenten nebenbei fast über Nacht Millionär geworden. Er kontaktierte mich. Wollte wohl bessere Werbung. Antwort auf mein Angebot: So viel Geld habe ich nicht, ich studiere ja noch. Finde den Fehler! Oder war mein Angebot nicht verlockend genug? LOL
Wer weiß …
4. In B2B-Werbung geht es immer nur ums Geld
Ok, das ist jetzt generalisierend. Ist mir bewusst. Und im Business geht es natürlich auch um Geld. Aber gibt es nicht auch andere Gründe, warum Sie Ihr Business betreiben? So etwas wie eine Mission, ein höheres Ziel? Oder Unternehmensziele, die sich eher indirekt auf den Gewinn auswirken?
Zufriedenere und dadurch leistungsstärkere Mitarbeiter.
Entspannteres Management.
Ein besseres Image.
…
Neben all den Emotionen, die es gibt, scheinen im Business- und Finanzbereich Angst und Gier die einzigen zu sein, die in der Werbung Platz finden.
Dabei wären Sicherheit, Freiheit, einen Beitrag leisten, auch interessante Emotionen zum „Andocken“, um nur einige zu nennen.
5. Du, nur du … (Sag, waren wir schon zusammen auf der Alm?)
Wirklich gefühlt jedes Unternehmen duzt mich heute ungefragt in der Werbung. Vielleicht bin ich da altmodisch, aber ich finde das respektlos und niveaulos. Das ist erzwungene Nähe, die sich manchmal eklig anfühlt, statt nach geschätzter Kunde. Ist etwas anderes, wenn man im persönlichen Kontakt ist. Und auch, wenn es um eine junge, „hippe“ Zielgruppe geht. Aber ich will nicht von meinem Telefonanbieter oder Supermarkt geduzt werden. Hallo?! Demnächst duzt mich noch das Finanzamt oder was: „Hey, Alter (wahlweise Digger, hier gibt es nur 1 Geschlecht LOL), rück Steuer raus“?
6. Marktgeschrei außerhalb des Wochenmarktes
Warum schreit uns Werbung so oft an? Ich bin nicht schwerhörig. Obwohl mir mein Kind gern das Gegenteil einreden möchte. Wer lauter schreit, mag im ersten Moment mehr Aufmerksamkeit bekommen. Die ebbt aber schnell wieder ab, wenn sich das Geschrei als heiße Luftnummer entpuppt. Und vertrauenswürdiger und sympathischer macht das auch nicht. Wir kaufen aber von Menschen, die wir kennen, mögen und denen wir vertrauen. Ich mag und vertraue Menschen nicht, die mich anschreien.
7. Hände hoch und Geld her! Sonst löchere ich Sie mit Fragensalven
Kennst du das auch?
Geht es dir auch so?
Hast du auch schon? …
Und das nicht alternativ, sondern zu Beginn einer Sales Page 5 bis 10 mal unmittelbar hintereinander. So ist das mit dem Emotionen ansprechen nicht gemeint, liebe Leute. Das erzeugt bei mir nur eine Emotion: Widerstand!
Mit ein oder zwei Fragen starten ist ok. Aber welcher „Profi“ hat verbreitet, dass eine Sales page mit Fragensalven starten darf oder gar muss?! Die Hoffnung auf eine Ja-Straße? Alter Hut. Und an dieser Stelle eher nervig als effektiv. Das vermittelt mir als Kundin das Gefühl, als hätte sich der Schreiberling nicht mit mir und meinen Bedürfnissen beschäftigt und will das erst noch herausfinden, während er mir sein Angbot verkauft.
8. Kinder an die Macht? Wie Werbung Kinder zu Konsumzombies macht
Werbung auf Kinderprogrammen sollte verboten werden. Die kaufen das Spielzeug doch sowieso. Ach ja … Die sollen das ja sehen, was es gibt, um damit ihre Eltern zur Weißglut zu bringen, damit sie es kaufen. Verstehe … 😉
Abgesehen von der Grundsatzfrage, ob Werbung während des Kinderprogramms nicht verboten gehört … So aggressive, in den höchsten Tönen kreischende TV-Spielzeugwerbung geht für mich gar nicht. Nervt sogar mein Kind.
Kinder sollten keine Drogen nehmen, die sie derart aufputschen, dass sie völlig überzogen kreischen und die Kinder vor der Glotze entweder in Angst und Schrecken versetzen oder zu Konsummonstern machen, weil sie glauben, damit das Gekreische beenden zu können, wenn Mama endlich kauft. Da wudert es nicht, wenn auch die Kinder vor der Glotze völlig durchdrehen und nur noch Hype wirkt. Am besten: Glotze ausschalten! Die Kinder werden auch ohne groß.
9. Danke für nichts
Ab und an gibt es Werbespots im Fernsehen, da frage ich mich: Was will der Dichter mir damit sagen? Effektheischende Werbung ohne erkennbare Aussage, ohne dass das Produkt zu erkennen ist oder seine Vorteile. Was soll das? Wenn nach der Aufmerksamkeit nichts folgt, das Interesse und Kaufwunsch weckt, sind die Werbespot-Millionen in die Tonne gekloppt. Es sei denn, …
… sie ist so cool, dass sie Neugier weckt.
So wie vor vielen Jahren die Werbekampagne zur Einführung der Automarke Daewoo. Das ist bestimmt mehr als 20 oder gar 30 Jahre her, aber ich erinnere mich bis heute an die Plakate und Radiospots. Simpel und so nichtssagend, dass es schon wieder Neugier weckte. Einfach Daewoo, ohne weitere Information, worum es geht. Das wollt man dann schon herausfinden ;-). Doch heute sind die Spots schrill und platt und machen zumindest mir keinen Bock darauf, mehr zu erfahren.
10. Mein absolut rotes Tuch
Dass Werbung neuerdings political Correctness bis zum Erbrechen praktiziert, nervt ungemein. Es wirkt zu gewollt und aufgesetzt und ich habe den Eindruck, „normal“ gibt es nicht mehr. Dabei war in den 90ern alles normal. Da war egal, wie man drauf war, wie man aussah oder welche Vorlieben eine oder einer hatte. Wir waren alle einfach Menschen. Und das war ok.
Was nicht ok war und nicht zum Rest der Lebensrealität passte, war die wachsende Ausländerfeindlichkeit. Die haben wir nun wieder – trotz oder wegen der oktroierten „Willkommenskultur“. Die Ursache dafür sind aber nicht unbedingt die, die darunter leiden, sondern soziale Brüche und Unzufriedenheit in der heimischen Bevölkerung, die sich bahnbricht. Dagegen helfen keine „bunten“ Werbekampagnen. Da ist Realpolitik gefragt.
Heute werden Menschen mit eher außer-gewöhnlichen Eigenschaften und Vorlieben permanent zur Schau gestellt. Es soll inkludieren, macht aber genau das Gegenteil. Ich empfinde es eher als diskriminierend. Die Werbung spiegelt nicht die reale Struktur der Gesellschaft wider. Die Gesellschaft ist gespalten wie nie und da hilft kein gewaltsames „ach, wir haben uns alle lieb und außer-gewöhnlich ist jetzt das neue normal“. Abgesehen davon, dass JEDER Mensch EINZIGARTIG ist.
Es sollen sich in den Spots alle angesprochen fühlen. Aber halt mal …
Jetzt bin ich aber mal provokant LOL: Widerspricht das nicht genau der ewigen Zielgruppendiskussion? Werbung ist doch nur effektiv, wenn sie den Idealkunden anspricht, oder?
Die Diskussion ist eröffnet!
Na, vielleicht hilft die inklusive Werbung ja wirklich, verstaubte Rollenbilder und überholte gesellschaftliche Normen zu überwinden, die früher die Werbung dominierten. Ich finde es zum Beispiel toll, dass in der Werbung mittlerweile nur noch Männer Wasch-und Spülmaschinen bedienen. Entweder, weil wir Frauen selbst dazu inzwischen zu blöd sind oder machen Männer jetzt den Haushalt? Was für eine Traumwelt! Gut, dass ich daran glaube, dass Träume wahr werden können.
Was waren das noch für Zeiten mit Werbespots wie diesem (von Dr. Oetker):
„Eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen und was soll ich kochen?“
OMG! Da kommt in mir die Wutbürgerin hoch. Na darüber sind die meisten von uns raus. Und vielleicht machen ja wirklich irgendwann die Männer den Haushalt – zumindest mit. Es soll ja schon einzelne Exemplare geben LOL.
Aber ist gesellschaftlicher Wandel Aufgabe von Unternehmenswerbung?
Warum nicht!? Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen kann ich nur befürworten. Aber bitte nicht nur, um neue Zielgruppen (wie Männer für Kosmetik und Spülmittel) zu erschließen oder politische Agenden zu befördern, um sich Vorteile bei Gesetzgebung und Subventionen zu erschleichen ;-).
Was nervt Sie an Werbung? Verraten Sie mir im Kommentar, ob es Ihnen ähnlich geht wie mir oder ob ich aus Ihrer Sicht völlig auf dem Holzweg bin!
Und wenn Sie Werbung haben wollen, die wirkt, dann sprechen Sie doch mal mit mir!